Testify

Interview by Michael Schäfer


Industrial Metal ist ein Genre, das ein wenig in die Jahre gekommen ist. Mittlerweile kann der verwandte und kommerzieller ausgerichtete Nu Metal größere Erfolge verbuchen. Umso wichtiger ist es in diesem Zusammenhang, hierzu ein härteres Gegenstück ins Feld zu führen. Darin sieht Myk Jung, Kopf der Essener Testify, die Aufgabe des Industrial Metal: "Irgendwann wird der Industrial Metal wieder entdeckt werden. Alles, was in der Musikgeschichte passiert, wiederholt sich", orakelt er.

Den Nu Metal empfindet er nicht unbedingt als trivial. Nein, mit dem Titel des aktuellen Albums Triviality Beyond Acceptance ist etwas anderes gemeint: "Uns werden hirnlose Paraphrasen, wie need you/miss you/love you, um die Ohren gehauen. Es sind nicht die umschriebenen Seelenzustände, die billig und armselig sind, sondern ihre künstlerische Umsetzung", erklärt Myk. Auch sonst zeugen die Texte von einer Aversion gegen eine Welt, in der vieles im Argen liegt. "Testify wurde wahrscheinlich genau zu diesem Zweck ins Leben gerufen: der Welt unseren Hass entgegenzuschreien. Schmerz, Dunkelheit, Verzweiflung, Hilflosigkeit, Zorn; es ist durchaus eine Anprangerung. Immer wieder entstehen Situationen, die diesen Zorn erneut in mir schüren." Die Texte kennen deshalb keine Interpunktion und wirken wie ein Bewusstseinsstrom, der aus collagenhaft aneinander montierten Gedankenfetzen besteht, weil "dieses Fragmentarische, Zersplitterte, Gehetzte sehr oft meinen zerfetzten Gemütszustand wiedergibt", offenbart Myk.

So klingt denn Triviality Beyond Acceptance auch oft simpel, aufs Wesentliche reduziert, kantig und wuchtig. So muss das sein, wenn man wütend ist. Hierbei bezeichnet Myk seine Band als "Dampframme". Andererseits sprechen Lieder wie etwa Invisible Hell oder Under The Cold Moon eine gefühlvollere, psychologischere Sprache, die mit einem "vielschichtigen Detailornat" - um es mit Myks Worten zu sagen - ausgestattet sind. Letztere Songkategorie zeugt weniger vom Hass gegen die Welt als von der Verzweiflung, die sie auslöst. Wie schon auf dem Comebackwerk von The Fair Sex - der ursprünglichen Band Myks - , ist auch auf der aktuellen Platte Testifys eine Mädchenstimme zu hören. Hierbei handelt es sich um Myks achtjährige Tochter Allegra. Myk griff auf alte Kassettenaufnahmen zurück und baute Allegras Stimme in manche der Stücke ein. "Damals war sie ungefähr vier. Sie spricht den Beginn eines ungarischen Gebets, lacht übertrieben, entwirft psychedelische Tonfolgen, und es gibt diese herrlichen Sprüche wie etwa Verwandle den Mensch in eine Schildkröte, die ebenfalls einen surrealistischen Anstrich haben. Ich versprach mir einen gewissen Effekt davon, ihre kleine Stimme gegen die polternde Brachialität der Musik zu setzen", was die Leute zweifelsohne aufhorchen lässt. Allerdings findet Allegra die Musik ihres Vaters nicht so toll. "Sie mag vor allem Avril Lavigne und HIM und kennt sich in den Charts mittlerweile besser aus als ich."


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